10 Jahre mit unserem kleinen Bremer

Vorbelastet,
klar stand am Anfang alleine die Erinnerung an die eigene Kindheit, mal zur Taufe gefahren worden im LS 300 des Patenonkel. Als ich 2 Jahre alt wurde durfte ich sonntags „Vorne sitzen“, wenn es mit Vater alleine auf die Tour ging. Sehr stolz mit den Eltern in dessen ersten Auto LP 400 S aus erster Hand mitzufahren. So ging es mit Vater morgens an den Rhein zum Kiesel hüpfen in der Fluss Brandung.
Kurz vor Borgwards Untergang hatten meine Eltern noch das Geld für einen brandneuen TS zusammengespart. Hiermit bereisten wir als vierköpfige Familie sogar Österreich und Bayern für zwei Sommer lang, dann wurde der Marke aus Bremen nicht mehr die Treue gehalten. Ein weiterer Onkel fuhr seinen 600er noch eine geraume Zeit lang weiter.

Die Inspiration
in 2009 durch eine Modellbau Messe in Köln, eigentlich auf der Suche nach einem Modellauto, dann von dem Virus Kleinwagen zum selber Schrauben im Maßstab 1:1 über eBay verwirklicht angesteckt: „Warum nicht einen Kleinwagen“ - so wie zu Anfang der 80er mal der kleinste Fiat für uns zur Familiengründung als Zweitwagen beisteuerte, eigenhändig restauriert. 1982 kam unser erster Sohn, der Arbeitsplatz meiner Frau Sabine zeitgleich in einen abgelegenen Stadtteil über den Rhein entfernt verlegt. Gerade mit einem genügsamen und zuverlässigen Kleinwagen finden wir - wird beinahe grenzenloses Erleben schier zum Spaß.

Umsetzung
per eBay Zuschlag, die Auktion von 2009, sofortige Zerlegung, nach 1 1/2 Jahren wieder für den Verkehr zugelassen, 44 Jahre Stillstand, in Eigenregie durchgeführt mit den Händen, was war das für eine genussvolle Zeitreise. Ich konnte wirklich alles alleine bewerkstelligen, kein Kran, kein zweiter Mann, kaum Sonderwerkzeuge, kein Ersatzteilmangel, viele Industrie Teile, freundliche Clubmitglieder, Ersatzteil Vorräte. Die Restauration von Karosserie, Fahrwerk, Bremsen, Elektrik, Kupplung, Getriebe - ja sogar das Golde Faltdach einschließlich Dachhimmel, zwar nicht ohne Hürden aber erfolgreich vollendet. Das originale Werkstatt Handbuch liest sich aus heutiger Sicht, auch die Bedienungsanleitung wie ein Comic. Als gelernter Metaller, Instandsetzer von Rad und Kettenfahrzeugen, Erfahrungen mit Kleinkrafträdern, auf Schrottplätzen zu Hause, viele Jahre für unsere Alltagsfahrzeuge gesorgt um diese am Leben zu erhalten, dass sollte doch ausreichen nochmal ein Fahrzeug wieder neu aufzubauen. Im Beruf als Servicetechniker steht man allzu oft sowieso ganz alleine vor Ort, öfters als man denkt zu vergleichen wie mit dem Überlebenstraining in der Wüste.

Motor
Zerlegung, Reinigung, Abdichtung, Zündweg, Vergaserweg, Fehler in Kombination auftretend, nicht einfach zu lokalisieren sind, weil gleichzeitig sich das Fehlerbild sich zu verschieben beginnt - anschließend man wieder von vorne anfangen muss. Fragen, Antworten, Tipps und Tricks bekommt man überall, wirkliche Fachleute zu Hauff - sie sind nur dünn gesät.

Am Ende
ist ein Zweitaktmotor nach ca. 35.000km aufgebraucht und verschlissen. Dann geht fast nichts mehr und normal ist so etwas. Hinzu kommt das Fahrzeuge wie der kleine 400er einst vom Munde abgespart, nichts mehr an Wert darstellten, in einer Scheune abgestellt oft nach Jahrzehnten wiedergefunden wurden. So wie der unsere bei einer Stadtteil Auflösung auftauchte. Herunter gefahren bis auf die letzte Substanz herab von einer Hebamme, aus erster Hand wenig bis kaum gewartet, von Verschleiß, Korrosion, hohem Spiel in allen Ecken zu finden, geprägt von der Bereitschaft gar nichts mehr in ein Fahrzeug weiter zu investieren, runtergefahren abgestellt.

Wiederaufbau
gleich zweier Motoren eigens in neuwertigen Zustand versetzt, die Erfahrungen von Einfahrvorschriften mit günstigen Kolben im Nachguss bestanden. Ein weiterer fester Motor konnte auf diese Weise zum Erfolg gebracht, gerettet werden. Meine „Zweitakt-Praxis-Bibel“ frischte so manch erlernte Kenntnisse aus der Moped Zeit, der Munga Bundeswehr, Kreidler, Hercules und Zündapp wieder auf. Auch frühere Kontakte aus dieser gelebten Jugendzeit erwiesen sich als äußerst nützlich diese wieder zu beleben.

Autark
fühlten wir uns nach über 24.000km gesammelter 400er Erfahrung und gingen an den Start mit ihm in die Ferne zu verreisen. Mehrtages Touren mit 500-700 Tageskilometern waren bis dato nicht mal selten, und von Geschwindigkeiten im 50er bis 70er Stundenschnitt gefahren fortan möglich. Wir suchten uns Strecken mit Genussfaktor an den Flussläufen wie Rhein, Main, Neckar, Kocher um in den Süden zu fahren aus. Einzelne Streckenabschnitte, besonders an den Sonn und Feiertagen gerne früh morgens gestartet, aber je nach dem zu welcher Zeit, ist man auf mehrspurig ausgebauten Bundesautobahnen kein Hindernis im Verkehrsfluss. Das geht selbst mit einer Begrenzung auf 60km/h im letzten Drittel von Einfahrvorschriften. Ganz besonders gefällt uns die geänderte Achsübersetzung von i=4,87 auf i=4,18. Da sind bis zu echten 95km/h auf der ebenen Fahrbahn drin, eine Dauergeschwindigkeit so um die 80 gefahren ist recht angenehm. Mit dem Navi nachzumessen ist der 100er VDO Tacho übrigens sehr genau ausgelegt und hat weder Vor oder Nacheilen aufzuweisen.

Zuverlässig
bis in den Norden nach Dänemark, in den Süden schon 3x über die Alpen geklettert, Österreich, Italien, Frankreich, Monaco - wir kommen! In den Stiefel gar bis Rom hinein vor das Kolosseum gefahren ist der kleine blaue Bremer mit uns, darauf können wir doch stolz sein.

P.S.
Klar, nach 6 Jahrzehnten eines nicht mehr existenten Herstellers geht es mit wohl ausgesuchten Teilen an Board auf Reisen. Bei welch anderen Wagen sind Motor und Getriebe gleich hinter den vorderen Sitzen im Fußraum, noch nicht einmal störend zu verstauen möglich?